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FRAGMENTS
Exotik ist meine Schwäche, schmuzeln Sie bitte nicht und denken Sie, Kleider würden die Leute machen, denn der Fahrstuhl fährt an einer besonderen Tür vorbei, die steht nämlich auf der Rückseite der anderen Türen und ist vor Staub und Spinnenweben kaum noch zu erkennen. Der Fahrstuhl hält dort nicht, ich habe sie erst nach einem Jahr im Amt bemerkt und wer weiß warum mir vier Meter hohe Flutwellen vorgestellt, Palmen und goldene Strände mit fröhlich lachenden, völlig entspannten Menschen - alles Dinge, die verboten und unerreichbar sind, deshalb habe ich mir gesagt - Schluß jetzt mit der Träumerei! - und fuhr jeden Tag weiter mit dem Fahrstuhl zur letzten Etage, von dort aus ging es die Treppe hoch zum Dachgeschoß, wo mein kleines Büro ist. Das ist so groß wie eine Schuhschachtel, niemand kommt zu mir hoch, ich habe aber einen Schreibtisch und eine Tischlampe, Regale, wo die ganzen Ordner aneinander gereiht stehen, und an der gegenüberliegenden Wand hängt eine Landkarte, die zeigt die Einteilung des Landes vor dem Ersten Weltkrieg, wer hat sie denn hier aufgehängt? Manchmal, wenn ich die Brille abnehme, damit meine Augen sich etwas entspannen können, starre ich darauf und stelle mir vor, wie ich reise, ich sehe unbekannte Orte und wundersame Dinge und eines Tages fiel mir ein, daß ich den Notknopf drücken, den Fahrstuhl halten und die verstaubte Tür öffnen kann. Was für Palmen und Strände würden auf mich dort drüben warten, was für Menschen gingen da spazieren, stell dir mal vor, was, wenn es auch Mädchen da gäbe!, zum Glück aber, genau in dem Augenblick, als ich die Angst überwinden und aufmachen wollte, fiel der Strom aus und ich mußte den halben Tag eingesperrt bleiben, bis sie mich rausgeholt haben. Nun ja, Sie verstehen schon, daß ich genug Zeit hatte, mir klar zu machen, daß ich einem unvernüftigen Gedanken nachgegeben hätte, ich sollte lieber in meinem Schuhschachtel-Büro bleiben! Die Reisen auf der Karte habe ich aber weiter gemacht, jedes Mal, wenn meine Augen vor Müdigkeit nicht mehr sehen konnten, was ich abschreiben mußte; heute haben sich meine Kollegen auf der Abschiedsfeier bei mir bedankt, und nicht nur das - sie haben mir erlaubt, weiter zur Arbeit zu kommen und nun als Rentner auszuhelfen - keiner der jüngeren wollte wie eine Ratte unterm Dach vor sich hinvegetieren. Da war ich glücklich, und nach dem Gläschen Wein, das ich mir gegönnt hatte, als ich an der Tür mit den Spinnenweben vorbeifuhr, drückte ich unbewußt den Notknopf. Kalte Schauer lief mir über den Rücken - was habe ich denn gemacht? - aber ich berührte die verstaubte Türklinke, mehr um sicher zu sein, ich hätte es wenigstens versucht, die ist bestimmt gesperrt, die Tür quietschte aber, etwas zog mich in den halbdunklen Flur hinein. Ich ging lange, bog links und rechts ab, stieg Stufen hinauf, lief hinunter auf steilem Betonboden, wieder Treppen aufwärts, bis ich gegen ein Hindernis stieß und mein Herz schlug wie rasend, was, kommen jetzt wirklich die Strände und die Mädchen? Ich zündete ein Streichholz an, sah eine weitere Tür, öffnete sie und was glauben Sie, wo bin ich geraten? In meinem winzigen Büro, wo ich fünfunddreißig Jahre meines Lebens verbracht hatte. Jetzt sitze ich an meinem Schreibtisch und wenn ich vom Abschreiben müde werde, nehme ich die Brille ab, starre auf die Landkarte aus der Zeit vor dem Ersten Krieg an der gegenüberliegenden Wand und bin glücklich. Hier bin ich zu Hause. Nur manchmal schießt mir so ein Gedanke durch den Kopf, wäre ich in jenen Flur damals vor fünfunddreißig Jahren eingebogen, hätte er mich zu den Palmen und den lachenden Gesichtern geführt und dann zittern meine Arme und Beine, als flöße Strom hindurch, aber wie ich schon sagte - Exotik ist meine Schwäche.

FRAGMENTE
Er fragt mich, ob ich glücklich sei, und ich erwidere prompt: und was ist bitteschön Glück? - da fängt er an zu stottern, dieser Besserwisser, der sich nur die Zunge wund reden will. Das Glück, mein Lieber, ist, wenn alle deinen Wünsche in Erfüllung gehen, ja genau! Alles oder nichts. Was sagst du, ist nicht möglich? Langsam, langsam, wir redeten nicht über möglich und unmöglich, sondern über Erfüllung der Wünsche und dafür gibt es seit jeher eine ganz einfache Methode - man sollte den Schatten der Erde berühren. Na, siehste, schon wieder dieses „wie soll das denn gehen“! Dein Problem! Ich habe das für mich schon entdeckt - in den Lehrbüchern steht es auch - bei Mondfinsternis bedeckt der Schatten der Erde den ganzen Mond, das bedeutet, daß dort auch der letzte Dummkopf glücklich ist. Jetzt verstehst du das oder? Wir sehen uns auf dem Mond. Ich muß jetzt los, ich habe noch so viel zu tun und hör endlich auf mit diesem „unmöglich“, du nervst, du hast mich gefragt, ich habe geantwortet... Nur noch was - es ist nicht sicher, daß auch auf dem Mond alle Wünsche in Erfüllung gehen, aber wenn es nur ein einziger wäre, selbst ein Hauch von einem Wunsch - das ist doch nicht wenig oder?
MONDBRAUNE
Unvollkommen ist der Mensch, das haben Sie sicher auch am eigenen Leib gespürt, wenn Sie sich große Ziele gesteckt haben, und noch mehr, wenn sich jedes Mal jemand gefunden hat, der Sie ausgelacht und wie ein Fußabtreter behandelt hat; unzählig sind unsere Makel, einer der schlimmsten ist aber unser kurzes Leben, nicht einmal hundert Jahre. Was soll man in dieser knappen Zeit zuerst tun - das Rad erfinden, die Cheops-Pyramide bauen, außerdem verbringen wir gut ein Drittel dieser Zeit im Schlaf. Irgendwann fiel mir eine Broschüre über autogenes Trainning in die Hände und was lese ich darin: nur fünf Minuten Selbsthypnose haben die Wirkung eines dreistündigen Schlafes, so habe ich schnell ausgerechnet - zehn Minuten ergäben sechs Stunden Schlaf, mir blieben also dreiundzwanzig Stunden und fünfzig Minuten jeden Tag für die großen Ziele. So habe ich den Wecker gestellt, legte mich auf den Rücken und fing an, mir zu wiederholen wie ruhig und entspannt ich bin und bestaunte das Rad, das ich nächste Woche erfinden würde. Ich stand auf, mein Kopf fühlte sich wie nach einem zweiwöchigen Saufgelage, ich blätterte erneut in der Broschüre - es stellte sich heraus, daß die wichtigste Bedingung war zu vergessen, wer ich bin. Na dann, die Augen wieder zu, ich stelle mir vor wie ich übers Wasser gleite, und in Gedanken erfinde ich schon die Pedale fürs Rad. Ich erhob mich mühsam, als wäre ich die ganze Strecke von hundert Kilometern bis ans Meer mit nur einer kurzen Rast gelaufen und mit dem einzigen Wunsch, wieder in Schlaf zu versinken, mit meinen letzten Kräften las ich die Broschüre zu Ende. Und sieh da - ich habe das Wichtigste nicht getan, nämlich mich von allen Gedanken zu befreien. Ich machte das Licht aus, schlüpfte unter die Decke und - ich habe jetzt keine Gedanken mehr, ich weiß nicht wer ich bin, nichts stört mich, vor meinen geschlossenen Augen steht eine ganze Reihe Pharaonen, jeder neben seiner Pyramide und sie verbeugen sich vor mir - Du bist der Größte!, vor meinen Füßen liegen im Staub all jene, die jetzt über mich lachen und mich mit Füßen treten. Unvollkommen ist der Mensch, dafür aber stur und beharrlich. Ich liege vierundzwanzig Stunden am Tag, presse die Augenlider zusammen und in meinem Kopf dreht sich nur ein Gedanke - ich habe keine Gedanken, ich habe keine Gedanken. Ich mag mich selbst auch hundert Jahre hypnotisieren, die Broschüre verspricht unendlich viel Zeit, am Schluß erreiche ich die Vollkommenheit und dann werden sie alle sehen, wie man Räder und Pyramiden mit den Füßen tritt!